Wenn ich in Gemeinden zum Predigen eingeladen werde, dann habe ich oft nach dem Gottesdienst gute und bewegende Gespräche. Vor nicht allzu langer Zeit sagte mir jemand sinngemäß: „Weißt du, manchmal frage ich mich, ob das alles wirklich stimmt – Gott, Jesus, Auferstehung. Und ob ich nicht einfach nur glaube, weil ich’s halt schon so lange tue.“
Ich war erst einmal still. Nicht, weil ich keine Antwort hatte – sondern weil ich seine Ehrlichkeit so kostbar fand. Was mich bewegt hat: Er hatte den Mut, zu zweifeln. Und das Vertrauen, es mir zu sagen.
Judas 1,22 ist einer dieser Verse, die man leicht überliest, wenn man schnell darüber fliegt. Er lautet:
„Habt Erbarmen mit denen, die zweifeln.“
Nicht: „Diskutiert sie nieder.“
Nicht: „Beweist ihnen die Wahrheit.“
Nicht: „Haltet Abstand, bevor der Zweifel ansteckend wird.“
Sondern: Habt Erbarmen.
Das griechische Wort für „Erbarmen“ hier ist „eleeo“ – es meint tiefes, mitfühlendes Handeln.
Nicht nur Mitleid. Sondern: Nähe. Geduld. Wärme.
Das ist etwas anderes, als jemanden zu belehren.
Ich frage mich: Wie gehen wir in unseren Gemeinden, in unseren Gesprächen, mit den Zweiflern um?
Mit denen, die (noch) nicht glauben können – oder wieder anfangen zu wanken?
Sind sie bei uns sicher? Oder spüren sie subtilen Druck, dass Zweifel hier nicht hingehört?
Jesus war anders.
Als Thomas sagte: „Ich glaube erst, wenn ich’s sehe“, hat Jesus ihm keine Standpauke gehalten.
Er hat gesagt: „Komm. Schau. Fühl meine Wunden.“
Jesus hatte Erbarmen.
Vielleicht sind wir manchmal so beschäftigt mit „richtig glauben“, dass wir vergessen:
Der Weg zum Glauben ist oft gepflastert mit Zweifeln.
Und Zweifel sind kein Feind des Glaubens – sondern oft dessen Anfang.
Meine Herausforderung an dich heute:
Wen kennst du, der gerade zweifelt?
Wen meidest du vielleicht unbewusst, weil dir sein Ringen zu unbequem ist?
Wem kannst du diese Woche zeigen: „Ich habe Geduld mit dir. Ich geh mit dir ein Stück. Und ich verurteile dich nicht.“
Denn vielleicht ist genau dein Erbarmen der Ort, an dem der Glaube wieder Wurzeln schlägt.
Sei gesegnet!
„Zweifel ist keine angenehme Verfassung, aber Gewissheit ist eine absurde“ (Voltaire).